Kurze Einleitung
Zinsen § 44 SGB I
Am 03.04.2020 fand ich einen Hinweis auf das Anrecht auf Zinsen in Höhe von 4 % bei verzögerter Leistungsgewährung durch das Jobcenter.
Von verzögerter Leistungsgewährung ist wohl immer dann auszugehen, wenn Leistungen erst aufgrund erfolgreicher Klagen nachgezahlt werden.
Das war für mich echt peinlich nach zehn Jahren aufRECHT e.V.. Aber es war auch ein Start für Recherchen.
Aus den Beispielklagen wählte ich zu Beginn 16 Klagen von 10 verschiedenen Personen aus.
Die angefügte Tabelle zeigt beispielhaft um welche Summen aus dem ohnehin gekürzten Existenzminimum Leistungsberechtigte klagen müssen
und auch die Länge der jeweiligen Verfahrensdauern. Jede einzelne dieser Klagen hätte automatisch durch das Jobcenter Märkischer Kreis
mit 4 % verzinst werden müssen.
Aber die "Rechtstelle des Jobcenters" beugt das Recht regelmäßig und unterwirft sich vermutlich hausinternen Weisungen?
Den gesetzlichen Vorgaben des § 44 SGB I folgen die Mitarbeiter der Widerspruchstelle und die Leistungssachbearbeiter jedenfalls nicht!
So musste festgestellt werden, dass auch nach erfolgreich gewonnenen Prozessen nicht einmal die Auszahlungen zeitnah nach dem Urteil
(mit jahrelanger Verspätung der Verfahrensdauer!) erstattet wurden. Mehrmals mussten die Kläger die Auszahlungen anmahnen,
einige Male erfolgte die Zahlung erst nachdem beim Sozialgericht ein "Pfändungsbeschluss" angefordert war.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Manche Kläger nie ihre erstrittenen Leistungen erhalten haben, weil nur sehr selten
die Zahlungseingänge an den Anwalt zurückgemeldet werden.
Verzinsung erfolgte meiner Kenntnis nach nie automatisch. Das muss sich ändern.
Das BSG hat den Anspruch auf Verzinsung von Nachzahlungsbeträgen gem. § 44 SGB I bestätigt und dazu ausgeführt:
"Nach § 44 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen."
BSG, B 8 SO 15/19 R 03.07.2020 RN 10
Gesetzliche Grundlage
§ 44 SGB I Verzinsung
(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats
vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.
(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags
beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe
der Entscheidung über die Leistung.
(3) 1Verzinst werden volle Euro-Beträge.
2Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.
Die Zinspflicht gleicht die Nachteile aus, die bei verspätetet gezahlten existenzsichernden Sozialleistungen entstehen.
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§ 45 SGB I Verjährung (von Sozialleistungen, nicht Zinsen ! ! !)
(1) Ansprüche auf Sozialleistungen verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind.
(2) Für die Hemmung, die Unterbrechung und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß.
(3) Die Verjährung wird auch durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung und durch Erhebung eines Widerspruchs unterbrochen.
Diese Unterbrechungen enden jeweils mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag und den Widerspruch.
"Danach kann der Leistungsträger nach Ablauf der Verjährungsfrist die Leistung verweigern,
aber auch den Anspruch noch erfüllen, wenn er in pflichtgemäßer Ausübung seines Ermessens davon absieht, sich auf den Zeitablauf zu berufen.
Dies kann z. B. der Fall sein, wenn der Leistungsberechtigte glaubhaft macht,
daß er vom Vorliegen der Voraussetzungen des Anspruchs keine Kenntnis hatte."
Gesetzentwurf 7/868 (S. 30)
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Chronologie einer Recherche
03.04.2020 Beginn der Recherche
Am 03.04.2020 fand ich im Elo-Forum einen Hinweis auf das Anrecht auf Zinsen in Höhe von 4 % bei verzögerter Leistungsgewährung
durch das Jobcenter.
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11.04.2020
Als Testlauf wurden in mehreren Verfahren die Nachleistung von Zinsen angemahnt.
Durch rechts- und verfassungswidrige Sanktionen warem dem Leistungsberechtigten
5283,87 € seines Existenzminimums vorenthalten worden.
Aber nur 4274,67 € wurden nach Jahren durch mehrere Klagen erstattet.
Die von Gesetzeswegen zustehenden Zinsen wurden verschwiegen und vorenthalten.
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28.04.2020
Ablehnungsbescheid
Frau B. (Widerspruchstelle) behauptet:
"Am 12.10.2015 wurden die Leistungen aus dem Vergleich an Sie zur Nachzahlung angewiesen,
ein Anspruch auf Verzinsung nach § 44 SGB I ergibt sich daher nicht."
Diese Behauptung ist falsch.
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03.05.2020
Mit vier Untaetigkeitsklagen Zinsen eingefordert
(Sozialgericht Dortmund S 14 AS 2011/20; S 14 AS 2012/20; S 14 AS 1980/20; S 14 AS 1981/20)
Die Forderungen betreffen vier Sanktionen aus den Jahren 2012 & 2013. Alle waren rechtswidrig,
und nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zu Sanktionen waren drei zudem verfassungswidrig.
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10.06.2020
Herr O. (Leistungssachbearbeiter) behauptet:
"Sie haben die Verzinsung von Geldleistungen für das Verfahren S 58 A5 2496/13 beantragt.
Ihrem Antrag habe ich entsprochen, Sie haben Anspruch auf Zinsen in Höhe von 140,40 Euro. Dieser Betrag wird in Kürze angewiesen.
Meine Entscheidung beruht auf § 44 SGB I"
Diese Behauptung ist falsch.
- Die Zinsen wurden angemahnt. Der Gesetzgeber hat die Verzinsung vorgeschrieben. Ein Antrag war nie erforderlich.
- Er hatte auch nichts zu "entscheiden", es war lediglich die Anspruchshöhe zu berechnen und anzuweisen.
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03.07.2020
BSG, B 8 SO 15/19 R - Das BSG liefert Klarstellungen u.a. zur
Verzinsungsdauer.
"Die Klägerin hat Anspruch auf Verzinsung des Nachzahlungsbetrags. Nach § 44 SGB I sind Ansprüche
auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf
des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen."
Wann die Verwaltung tätig wird, ist nicht entscheidend (vgl BT-Drucks 7/868 S 29), sondern nur, wann die im Gesetz bestimmten
materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzung vorliegen
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09.07.2020
Frau B. (Widerspruchstelle) behauptet:
"Nach § 44 SGB I sind Ansprüche auf einmalige und laufende Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats
nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung
mit 4 v. H. von Amts wegen zu verzinsen, sofern alle Voraussetzungen hierfür vorliegen.
Demnach ist der angegriffene Bescheid rechtmäßig"
Diese Behauptung ist falsch.
Die Allegro-Eingabemaske zur Verzinsung zeigt deutlich,
dass das Jobcenter zwischen "Anspruchsmonat" und "möglicher Beginn der Verzinsung" die Ansprüche um 6 Monate verkürzt anstatt nur um 1 Monat.
Damit werden bei allen Berechnungen weiterhin 5 Zinsmonate unterschlagen.
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Tabelle I. - Konkrete Zins-Nachforderungen
Nr. |
Klage |
von - bis |
Summe |
Monate |
Urteil |
Zinsen |
Widerspruch |
Zahlung |
Aktenzeichen,neu |
|
001 |
|
01.10.12-30.12.12 |
1698,60€ |
29 |
25.09.2015 |
169,80€ |
Untätigkeitsklage
erfolgreich |
09.07.2020 |
S 14 AS 1980/20 |
KB |
002 |
Klage039 |
01.01.13-31.03.13 |
1566,87€ |
29 |
09.07.2020 |
140,40€ |
Untätigkeitsklage
erfolgreich |
09.07.2020 |
S 14 AS 1981/20 |
KB |
003 |
|
01.09.12-30.11.12 |
672,90€ |
32 |
11.09.2015 |
33,00€ |
Untätigkeitsklage
erfolgreich |
10.06.2020 |
S 14 AS 2011/20 |
KB |
004 |
Klage044 |
01.07.12-30.09.12 |
336,30€ |
32 |
11.09.2015 |
17,92€ |
Untätigkeitsklage
erfolgreich |
10.06.2020 |
S 14 AS 2012/20 |
KB |
005 |
|
01.11.09-22.08.13 |
100,00€ |
47 |
22.08.2013 |
12,90 € |
Untätigkeitsklage
erfolgreich |
2023 ??? |
S 3 AS 3276/20 |
DW |
006 |
|
10.07.05-09.02.15 |
1551,82€ |
120 |
31.03.2014 |
€ |
Untätigkeitsklage |
- |
S 87 AS 3425/20;
L 12 AS 1872/21 |
TW |
006 |
|
10.07.05-09.02.15 |
1551,82€ |
120 |
25.05.2022 |
??? € |
Untätigkeitsklage
erfolgreich |
- |
L 12 AS 1872/21 |
TW |
007 |
|
01.03.14-22.02.17 |
692,50€ |
28 |
11.09.2015 |
59,97€ |
Untätigkeitsklage
erfolgreich |
10.08.2021 |
S 32 AS 440/21 |
HJK |
008 |
|
03.09.07-20.07.15 |
900,00€ |
85 |
30.04.2015 |
€ |
Untätigkeitsklage |
- |
S 35 AS 3426/20 |
UW |
009 |
|
30.09.10-28.02.14 |
323,10€ |
32 |
11.09.2015 |
€ |
Untätigkeitsklage |
- |
S 35 AS 3420/20 |
UW |
010 |
|
29.09.16-13.03.20 |
532,21€ |
32 |
11.09.2015 |
€ |
erst abgelehnt |
10.06.2020 |
S 14 AS 2012/20 |
MRH |
011 |
|
21.08.13-21.01.15 |
300,00€ |
12 |
05.02.2015 |
€ |
Untätigkeitsklage |
- |
S 56 AS 3463/20 |
MRH |
012 |
|
01.06.10-30.11.12 |
1862,40€ |
30 |
05.02.2015 |
€ |
Untätigkeitsklage |
- |
S 92 AS 5446/20; S 32 AS 2083/21 |
RJR |
013 |
|
04.12.13-14.08.17 |
518,81€ |
39 |
14.08.2017 |
69,17€ |
|
04.11.2020 |
S 60 AS 1460/14 |
BSJ |
014 |
|
08.11.12-15.07.15 |
103,40€ |
34 |
30.04.2015 |
€ |
Untätigkeitsklage |
- |
S 30 AS 986/13 |
UW |
015 |
|
01.02.15-19.04.17 |
3572,30€ |
11 |
19.04.2017 |
€ |
? |
- |
S 19 AS 1526/21 |
LB |
016 |
|
18.03.14-13.03.18 |
286,23€ |
? |
13.03.2018 |
37,29€ |
? |
- |
S 56 AS 1034/14 |
KB |
017 |
|
01.12.12-03.03.17 |
114,60€ |
? |
01.09.2017 |
€ |
? |
- |
S 58 AS 1122/14 |
KB |
018 |
|
01.12.13-10.03.17 |
424,50€ |
31 |
10.03.2017 |
19,74€ |
Untätigkeitsklage
erfolgreich |
22.07.2020 |
S 58 AS 1124/14 |
|
019 |
|
29.11.13-12.05.16 |
654,00€ |
? |
2015 |
€ |
? |
- |
S 60 AS 1460/14 |
BSJ |
020 |
|
30.09.10-28.02.14 |
323,10€ |
? |
2015 |
€ |
? |
- |
S 28 AS 614/11 |
UW |
021 |
|
01.11.15-30.04.16 |
1173,94€ |
19 |
2017 |
€ |
Erinnerung ignoriert |
- |
Zinsen verweigert,
Kläger
kapituliert |
OEM |
022 |
|
01.08.18-09.08.19 |
3479,65€ |
13 |
2015 |
€ |
Erinnerung ignoriert |
- |
W 1941/19 |
ID |
023 |
|
01.04.17-06.12.17 |
184,05 € |
27 |
2015 |
€ |
Untätigkeitsklage |
- |
S 38 AS 5283/17 |
MH |
024 |
|
06.11.17-08.04.19 |
372,00€ |
30 |
2015 |
€ |
Untätigkeitsklage |
- |
S 38 AS 1268/17 |
MH |
025 |
|
01.01.19-20.05.20 |
374,40 € |
20 |
2019 |
€ |
Zinsen verweigert, Kläger kapituliert |
- |
|
PA |
026 |
|
01.10.2018-31.08.2023 |
3728,52 € |
? |
2023 |
325,20 € |
mehrere Zinsklagen |
2023 |
S 87 AS 1741/20 u.a. |
|
Die Summe der in den ersten 24 Klagen erstrittenen Leistungen liegt bei 21.743,28 €.
Die auf dem Weg von Untätigkeitsklagen nachgeforderten Zinsen liegt bei derzeit 623,73 €.
Weitere Klagen sind noch anhängig. (Stand: 20.07.2022)
Am 25.05.2022 entschied das LSG NRW zugunsten der Klägerin in dem Verfahren L 12 AS 1872/21
und verpflichtete das Jobcenter Märkischer Kreis zur Neubescheidung.
Die Eingabe der Verjährung wurde nicht zugelassen. Seitdem wurden weitere Klagen provoziert (21.01.2024).
Der Rechtsanspruch auf die Verzinsung besteht seit dem 31.03.2014.
beteiligte Richter/innen (Kammern) an der Zinsklagen:
Richterin Dr. Brünnen (92); Richterin Dörnert (32); Richter Felten-Sprenger (56); Richterin Reif (14);
Richterin Singh (87), Richter Stinder (92),
LSG NRW (L 2): Richterin Lente-Poertgen, Richterin Lehrmann-Wahl, Richterin Dr. Bergman (PKH)
LSG NRW (L 12): Richterin Klempt; Richterin Aghte; Richterin Schell; Richterin Dr. Kühn; Richter Ortac
SG Köln, Richterin Dr. Wardemann (3)
Ausnahmslos jedem Antrag auf Verjährung von Zins-Klagen geht Sozialbetrug durch Unterlassen voraus.
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Tabelle II. - Beispiele von unterlassenen Leistungsgewährungen
Nr. |
Klage |
Aktenzeichen |
Urteil |
von - bis |
Summe |
Monate |
Zinsen |
Widerspruch |
001 |
|
S 27 AS 420/05 ER |
22.05.2006 |
25.04.05-18.05.06 |
103,50 € |
? |
€ |
- |
002 |
|
S 27 AS 439/05 |
07.12.2006 |
07.07.05-07.12.06 |
133,50 € |
? |
€ |
- |
003 |
|
S 28 AS 308/09 |
20.09.2011 |
31.03.09-20.09.11 |
230,69 € |
? |
€ |
- |
011 |
|
W 404/13 |
13.02.2015 |
10.11.11-07.05.13 |
552,00 € |
23 |
0 € |
KDU vorenthalten |
018 |
|
S 27 AS 319/09 |
13.02.2015 |
01.11.09-11.02.10 |
1605,00 € |
0 |
0 € |
100%-Sanktion |
022 |
|
S 10 AS 1467/10 ER |
13.03.2010 |
01.02.09-30.04.09 |
1022,00 € |
0 |
0 € |
100%-Sanktion |
023 |
|
S 28 AS 2887/10 ER |
05.07.2010 |
01.07.13-30.09.10 |
1569,90 € |
0 |
0 € |
100%-Sanktion |
024 |
|
S 10 AS 2755/10 ER |
30.07.2010 |
01.07.10-30.09.10 |
?,00 € |
0 |
0 € |
100%-Sanktion |
025 |
|
S 60 AS 1737/15 ER |
01.06.2015 |
15.12.15-01.06.16 |
1041,00 € |
0 |
0 € |
100%-Sanktion |
026 |
|
S 33 AS 3869/10 ER |
20.09.2011 |
15.12.10-20.09.11 |
€ |
0 |
0 € |
100%-Sanktion |
027 |
|
S 23 AL 809/17 BA |
12.03-2012 |
29.09.16-13.03.20 |
532,21 € |
? |
€ |
? |
042 |
|
S 56 AS 987/12 |
12.03-2012 |
01.01.10-31.03.12 |
648,00 € |
? |
€ |
? |
|
Tabelle III. - Beispiele von gezahlten Zins-Nachleistungen (mit der Klage bereits eingefordert)
Nr. |
Klage |
Aktenzeichen |
Urteil |
von - bis |
Summe |
Monate |
Zinsen |
Widerspruch |
001 |
|
S 60 AS 3854/13 |
S 60 AS 3854/13 |
21.05.2013-04.05.2016 |
343,80 € |
35 |
35,52
€ |
30%-Sanktion |
Startseite
ALG 2
weitere Klagen
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