Ordnungswidrigkeitenverfahren gehören nach § 63 SGB II zum Repertoire der Sozialbehörden. Nach der Vorstellung der Gesetzgeber wirkt dieses Rechtsmittel jedoch ausschließlich in eine Richtung:
gegen die Erwerbslosen. Möglicherweise würde der größere Anteil strafbewehrter Vorwürfe wie z.Bsp. Vermögensschädigung gegenüber Leistungsberechtigten aufgrund von Nicht- und Falschberatung,
illegale Beschäftigung oder Veruntreuung von Steuermittteln gegenüber den Behörden effizienter greifen können.
"Fehlende Mitwirkung", d.h. das Zurückhalten von Informationen, die direkte Auswirkungen auf die Leistungsbezüge haben, scheint ein Hauptvorwurf zu sein. Dabei geht es zum Beispiel um nicht oder "zu spät" gemeldete Einkünfte, nicht genannte Rückerstattungen von Nebenkosten oder Heizungsguthaben. Aber auch ordnungsgemäß eingereichte und bei der Behörde verschlampte Unterlagen lösten bereits OWi-Verfahren aus. Die vom Jobcenter gestellten Strafanzeigen hingegen beruhen nicht ausschließlich auf dem Vorwurf des Sozialleistungsmissbrauchs. Hier wurden auch Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung und Körperverletzung zur Anzeige gebracht. Auch eine "Gegenanzeige" wurde in der Vergangenheit als Klage erhoben. Die Anklage lautete auf "falsche Verdächtigung". Peinlich für Jobcenter, Staatsanwaltschaft und Gericht, denn die eine der angeblich "falsche Verdächtigungen" wegen Vermögensschädigung bestätigte sich im Zeugenstand als berechtigter Vorwurf. Eine Zweite konnte weder nachgewiesen, noch widerlegt werden. |
"Am 2. Verhandlungstag nahmen fast 40 Prozessbeobachter an der Verhandlung teil und hörten, dass der Leiter der Widerspruchstelle eingestehen musste, dass der Vorwurf der Vermögensschädigung zu Recht erhoben worden war. Der Auftritt des stellvertretenden Geschäftsführers, der wochenlang Zeit hatte sich an nichts zu erinnern, wurde allgemein als "peinlich" empfunden." |
Das veraltete Bearbeitungsprogramm coLeiPC SGBII OWi wurde 2013 durch das Programm Falke abgelöst.
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I. Gesetz |
§ 63 SGB II Bußgeldvorschriften Stand: 01.03.2007
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§ 63 SGB II Bußgeldvorschriften Stand: 20.01.2012
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(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 57 Satz 1 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt, 2. entgegen § 58 Abs. 1 Satz 1 oder 3 Art oder Dauer der Erwerbstätigkeit oder die Höhe des Arbeitsentgelts oder der Vergütung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig bescheinigt oder eine Bescheinigung nicht oder nicht rechtzeitig aushändigt, 3. entgegen § 58 Abs. 2 einen Vordruck nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt, 4. entgegen § 60 Abs. 1, 2 Satz 1, Abs. 3 oder 4 Satz 1 oder als privater Träger entgegen § 61 Abs. 1 Satz 1 eine Aus-kunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht recht-zeitig erteilt, 5. entgegen § 60 Abs. 5 Einsicht nicht oder nicht rechtzeitig gewährt oder 6. entgegen § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Ersten Buches eine Änderung in den Verhältnissen, die für einen Anspruch auf eine laufende Leistung erheblich ist, nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig mitteilt. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Euro, in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu zweitausend Euro geahndet werden. |
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 57 Satz 1 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt, 2. entgegen § 58 Abs. 1 Satz 1 oder 3 Art oder Dauer der Erwerbstätigkeit oder die Höhe des Arbeitsentgelts oder der Vergütung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig bescheinigt oder eine Bescheinigung nicht oder nicht rechtzeitig aushändigt, 3. entgegen § 58 Abs. 2 einen Vordruck nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt, 4. entgegen § 60 Abs. 1, 2 Satz 1, Abs. 3 oder 4 Satz 1 oder als privater Träger entgegen § 61 Abs. 1 Satz 1 eine Aus-kunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht recht-zeitig erteilt, 5. entgegen § 60 Abs. 5 Einsicht nicht oder nicht rechtzeitig gewährt oder 6. entgegen § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Ersten Buches eine Änderung in den Verhältnissen, die für einen Anspruch auf eine laufende Leistung erheblich ist, nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig mitteilt. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Euro, in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu zweitausend Euro geahndet werden. |
II. Erste AnfrageDas Jobcenter Märkischer Kreis leitet regelmäßig Ordnungswidrigkeitenverfahren und Strafanzeigen gegen Leistungsberechtigte ein.
Der kurz gehaltenen Anfrage wurde nur teilweise stattgegeben. Darin wird mitgeteilt: "In dem Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2011 wurden durch das Jobcenter Märkischer Kreis insgesamt 5.790 Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) eingeleitet, sowie 246 Strafanzeigen gestellt." Die statistisch erfaßten Datensätze werden wie folgt angegeben:
Auffällig ist, dass angeblich weder ein Eingabedatum, noch ein Aktenzeichen genannt wird. Die vollständige Antwort des Jobcenters enttäuscht erwartungsgemäß: Selbst die Übersendung von einfachen Screenshots wird verweigert: "Ihrem Antrag auf Übersendung von Screenshots der Eingabemasken zu dem Programm coLeiPC SGBII OWi wird nicht entsprochen. Denn hierauf besteht kein Anspruch. Das IFG gewährt Zugang für bereits vorliegende Informationen. Die von Ihnen verlangten Screenshots liegen aber nicht vor und müssten eigens für Sie angefertigt werden." Eine erste Übersicht: Ordnungswidrigkeitenverfahren beim Jobcenter Märkischer Kreis vor dem Hintergrund der Jahreshöchststände der Bedarfsgemeinschaften.
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2005 |
2006 |
2007 |
2008 |
2009 |
2010 |
2011 |
2012 |
2013 |
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Bedarfsgemeinschaft (Jahreshöchststand) |
19.894 |
20.434 |
17.892 |
16.600 |
17.840 |
17.171 |
17.225 |
16.230 |
16.893 |
eingeleitete Verfahren nach OWiG |
? |
? |
1.000 |
1.042 |
1.063 |
1.386 |
1.243 |
1.494 |
1.239 |
% zur Zahl der Bedarfsgemeinschaft |
? |
? |
5,59 % |
6,28 % |
5,96 % |
8,07 % |
7,22 % |
9,21 % |
7,33 % |
eingeleitete Strafverfahren nach StGB |
? |
? |
55 |
42 |
59 |
56 |
34 |
48 |
45 |
% zur Zahl der Bedarfsgemeinschaft |
? |
? |
0,31 % |
0,25 % |
0,33 % |
0,33 % |
0,20 % |
0,30 % |
0,27 % |
Aber auch von den eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren müssen viele eingestellt werden, wenn die Angeschuldigten sich gegen die Vorwürfe zur Wehr setzen. Gleiches gilt für die Strafverfahren. Unter Zuhilfenahme kompetenter Rechtsvertretung mussten auch in der Vergangenheit etliche Verfahren folgenlos eingestellt werden. Bedauerlicherweise legen noch immer viel zu wenig Betroffene Rechtsmittel gegen die Bescheide ein.
2013-01-04 IFG-Anfrage Bitte übersenden Sie mir die aktuellen Zahlen. Wie viele Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) wurden durch das Jobcenter Märkischer Kreis in den Jahren 2012 und 2013 eingeleitet? Wie viele Strafanzeigen wurden gestellt? Für die Jahre 2007-2011 haben Sie bereits bekannt gegeben, dass durch das Jobcenter 55,42,59,56,34 Strafanzeigen gestellt wurden. Da diese Strafanzeigen nicht alle im Zusammenhang mit dem Vorwurf des Sozialleistungsmissbrauchs stehen, bitte ich um weitergehende Spezifizierung. Wie viele Strafanzeigen resultieren jeweils aus den Owi-Verfahren? Wie viele Strafanzeigen entfallen auf Bombendrohung (2007), Sachbeschädigung, Körperverletzung, Beleidigung usw.? Wie viele Strafanzeigen wurden gegen Mitarbeiter und Geschäftsführung des Jobcenters gestellt (z.B. unterlassene Hilfeleistung, Vermögensschädigung, Falschberatung, Beleidigung)? 2014-01-16 Ergänzung 2012/2013 |
III. Zweite AnfrageWo ein Wille ist, ist oft auch ein Weg.2012-06-24 Die zum Teil ausweichende Antwort führt zu weiteren Frage, diesmal an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Antrag nach IFG zu Strafanzeigen & Ordnungswidrigkeitenverfahren beim Jobcenter Märkischer Kreis Mein Zeichen: IFG011 Sehr geehrte Damen und Herren, mit Schreiben vom 12.03.2012 stellte ich einen Antrag nach IFG zu Strafanzeigen & Ordnungswidrigkeitenverfahren beim Jobcenter Märkischer Kreis. Wie Sie beigefügter Antwort entnehmen können, verweigerte das JC MK sowohl die Herausgabe der Screenshots als auch die weitere Aufschlüsselung nach Jahren. Ich bitte um sachdienliche Auskunft, ob mir nicht doch ein Anspruch auf erweiterte Auskünfte zusteht und ob die Herausgabe von Screenshots verweigert werden darf. Außerdem bitte ich um Mitteilung, ob vom IFG auch interne Dienstanweisungen und Pressemappen erfasst sind. Bedauerlicherweise hält das Jobcenter keinen Aktenplan vor, der die Transparenz der vorgehaltenen Dokumente erkennen lässt. Mit freundlichen Grüßen 2012-08-02 Antwort 2012-08-09 Rückfrage 2012-10-29 Antwortmail 2012-11-01 Mail 2012-11-01 nachdem das Jobcenter MK die Herausgabe der Screenshots verweigerte, wurde über das Portal fragdenstaat.de das Handbuch zum Programm coLeiPC SGBII OWi nachgefragt. Über das Portal kann nun mit nur wenigen Klicks eine eigene Bestellung erfolgen. 2012-12-11 Die Bundesagentur erwies sich als einsichtiger und übersandte das 33seitige Handbuch per Post. Es zeigt sich, dass in der Bedienungsanleitung alle Eingabemasken und Textbausteine ausgewiesen und erklärt werden. Da das Programm nirgendwo anders Anwendung finden kann und das Handbuch keine schützenswerten Geheimnisse verrät, ist ein Missbrauch oder kommerzielle Nutzung gradezu ausgeschlossen. Ein paar Screenshots geben einen ersten Einblick hinter die Kulissen. Link zur Sanktionsstatistik der BA |
III. Dritte Anfrage - Gründe für Strafanzeigen
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Urteile zum Thema: Strafanzeigen und Ordnungswidrigkeiten
Infos zum Thema: Strafanzeigen und Ordnungswidrigkeiten 20xx Das Bußgeldverfahren im SGB II - Praxishandbuch für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im SGB II . (48 S.) 2013-09-20 Fachliche Hinweise - § 63 SGB II Bußgeldvorschriften . (52 S.) 2012-10-16 RA Helge Hildebrandt, Verwarnungen durch das Jobcenter . 2012-02-20 Fachliche Hinweise - § 63 SGB II Bußgeldvorschriften . (43 S.) 2011 Jahresbilanz 2011 2011 Das Bußgeldverfahren im SGB II - Praxishandbuch für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im SGB II . (97 S.) Presseberichte zum Thema: Ordnungswidrigkeit Jobcenter Märkischer Kreis Eigene Beiträge im Lokalkompass 14.10.2010 ARGE MK unterliegt auch im 2. Ordnungswidrigkeiten-Verfahren 18.05.2013 Jobcenter Märkischer Kreis unterstellt Kunden regelmäßig grobe Fahrlässigkeit 26.02.2015 Jobcenter Märkischer Kreis blamiert sich in mutwillig provoziertem OWi-Verfahren 16.08.2015 Wie das Jobcenter Märkischer Kreis Staatsanwalt und Amtsrichter vorführt 06.11.2015 Sozialleistungsbetrug – oder doch nicht? 30.11.2015 Jobcenter Märkischer Kreis: weiteres Ordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt 22.04.2017 Erneut Sozialleistungsbetrug durch das Jobcenter Märkischer Kreis entlarvt 30.04.2017 Jobcenter Märkischer Kreis: Strafanzeige wegen Sozialleistungsbetrug beschädigt die Staatsanwaltschaft Hagen 30.04.2017 Jobcenter Märkischer Kreis stellt Strafanzeige gegen Ex-Kunden wegen Trinkgeld 26.09.2018 Jobcenter Märkischer Kreis: Strafanzeige wegen Sozialleistungsbetrug beschädigt die Staatsanwaltschaft Hagen 19.11.2019 Jobcenter Märkischer Kreis verschlampt Unterlagen und unterstellt Sozialleistungsbetrug 08.05.2020 Wie das Jobcenter Märkischer Kreis unbescholtene Leistungsberechtigte kriminalisiert 02.03.2021 Jobcenter Märkischer Kreis scheitert mit Ordnungswidrigkeit vor dem AG Menden 12.03.2021 E-Mails entlasten Mendenerin vor Gericht 23.04.2021 Unredliche Tricksereien beim Jobcenter MK mit Bußgeldern 16.10.2021 Und wieder ein Ordnungswidrigkeitsvorwurf des Jobcenter Märkischer Kreis eingestellt 21.10.2021 Bußgeld gefordert - schlampige Sachbearbeitung entlarvt 26.10.2021 Das Recht auf Einsicht in die eigenen Sozialdaten beim Jobcenter 20.01.2022 Meldepflichten bei Nebenkostenabrechnungen beachten 11.02.2022 Falsche Verdächtigung ist ein Straftatbestand - Jobcenter Märkischer Kreis - wieder ein Bußgeldverfahren eingestellt Presseberichte zum Thema: Strafanzeigen und Ordnungswidrigkeiten 2015-05-29 RA Helge Hildebrandt Beratungshilfe für Beratung im Anhörungsverfahren nach § 55 OwiG . 2013-05-29 Rhein-Zeitung Beleidigung im Jobcenter: 48-Jähriger muss dafür bezahlen . 2013-05-30 sozialrechtsexperte.blogspot Beleidigung im Jobcenter: "Arschlöscher, Idioten, Abschaum und Drecksau" . 2012-09-05 infranken.de Hartz-IV-Betrug nach dem "Frauentausch" . Lokalkompass 2011-04-25 RA Martin Reucher, gegen-hartz.de Das Jobcenter Bochum übt Staatsanwaltschaft . 2008-11-29 derwesten.de Trotz Job Arbeitslosengeld kassiert: Bewährungsstrafe für Mendenerin . 2008-04-14 derwesten "Züchten Volk von Vorbestraften" . - nicht gemeldeter Ferienjob einer 17jährigen Tochter führt zur Strafanzeige wegen Betrug Forenbeiträge zum Thema: Strafanzeigen und Ordnungswidrigkeiten |