Klage: 077

gegen das Jobcenter Märkischer Kreis


Thema: Kosten der Unterkunft - Die Konzepte 2014/2015; 2016/2017; 2018 sind alle nicht schlüssig

SGB II § 22


Widerspruch W 2636/14
Widerspruch W 475/15
Widerspruch W 835/15
Sozialgericht Dortmund, Az.: S 19 AS 3392/15, 01.12.2016
LSG NRW, Az.: L 6 AS 120/17,



„Fehlt einem Staate die soziale Gerechtigkeit,
was ist er dann anderes als eine große Räuberbande!"


Augustinus Aurelius (354-430),
Bischof von Hippo, Philosoph, Kirchenvater und Heiliger
Quelle: Augustinus, Vom Gottesstaat (De civitate Dei), 413-426. 4.4

       

Kurze Inhaltsübersicht:


1.    Kurze Einleitung
2.    Gesetzliche Grundlage
3.    Chronologie
4.    Urteile zum Thema
5.    Infos zum Thema
6.    Presseberichte zum Thema
7.    Foreneinträge zum Thema




        Kurze Einleitung

Am 01.12.2016 verhandelte die 19. Kammer des Sozialgerichts Dortmund in drei Verfahren (S 19 AS 965/15; S 19 AS 3392/15; S 19 AS 4282/15) über die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft im Märkischen Kreis. Eine inhaltliche Prüfung der korrekten Anwendung des erhobenen Datenmaterials erfolgte allerdings nicht. Es lag nicht vor. lokalkompass

In dem Verfahren S 19 AS 965/15 wurde die Klage einer Frau aus Hemer verhandelt, die nach Modernisierungsarbeiten deutlich höhere Mietkosten zu tragen hat, als das Jobcenter/ der Märkische Kreis zu übernehmen bereit war.

Die Rechtsanwältin im ersten Verfahren ließ weder erkennen, dass sie über das im Streit stehende Konzept der Fa. Analyse & Konzepte vollinhaltlich Kenntnis hatte, noch ließen Ihre Einwände darauf schließen, mit der Kernproblematik der Datenerhebung solcher „schlüssigen Konzepte“ hinreichend vertraut zu sein.

In diesem Verfahren wurde Oliver Strege von der Firma Analyse & Konzepte als Zeuge angehört. Er schilderte ausführlich die allgemein übliche Vorgehensweise bei der Erstellung solcher Konzepte. Außerdem räumte er ein auch bei der Erstellung des Konzeptes im Hochsauerlandkreis federführend beteiligt gewesen zu sein. Dieses Konzept wurde in dem Verfahren des SG Dortmund, Az. S 62 SO 444/14 vom 19.02.2016 aufgrund kompetenter Einwände und Sachfragen als nicht schlüssig verworfen.









         Chronologie



03.11.2014     Mietsenkungsverfahren  zum 01.03.2015 wegen 41,50 € nach Auszug einer Person.

04.11.2014       Bewilligungsbescheid

17.11.2014     Widerspruch  Az.: 2636/14

19.02.2015     .  Mieterhöhung     .   Mietspiegel 2013

27.02.2015     Widerspruch  (01.03.2015 bis 31.08.2015) Az.: W 475/15

03.04.2015     Widerspruch Änderungsbescheid  (0l.04.2015 bis 31.08.2015) Az.: W 826/15

17.06.2015       Bescheid zur Aufhebung, Erstattung und Zahlungsaufforderung W 1487/15

02.04.2012       Widerspruch gegen Bescheid zur Aufhebung, Erstattung und Zahlungsaufforderung

01.12.2016     S 19 AS 3392/15 Urteil

xx.01.2017     Beschwerde rechtsanhängig beim LSG NRW, Az.: L 6 AS 120/17



22.06.2020     Schreiben des Beklagten

01.06.2021     Erörterungstermin

Nachdem die Beschwerde dreieinhalb Jahre vom 6. Senat des LSG NRW verschleppt wurde, fand am 25.06.2020 endlich ein Erörterungstermin statt. In diesen Jahren wurden Tausenden von Leistungsberechtigten die anteiligen Mieten rechtsgrundlos vorenthalten

In einem 1 1/2 stündigen Erörterungstermin bemühte sich Richterin am Landessozialgericht Oh (lt. Fassung des 8. Änderungsbeschlusses vom 25.09.2019 Richterin beim LSG NRW), um eine einvernehmliche Lösung unter Umgehung einer umfassenden Konzeptprüfung. Der Geschäftsverteilungsplan der Rechtsprechung . des LSG NRW für 2020 weist die Besetzung des 6. Senat wie folgt aus.

Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Dr. Kühl
Richterin am LSG Schimm – stellvertretende Vorsitzende –
Richterin am LSG Dr. Rücker
Richterin am LSG Oh



25.06.2020     Sitzungsprotokoll
"Nach umfangreicher Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses weist der Senat darauf hin, dass für den Fall, dass das hier zu prüfende Konzept aus den Jahren 2013 bzw. 2015 als schlüssig erachtet wird, dies nicht notwendigerweise Rückschlüsse auf die Schlüssigkeit des im Jahr 2017 angewendeten Konzeptes hat. Nach derzeitigem Sachstand vorbehaltlich ggf. noch zu erörternder Fragen an die Firma Analyse & Konzepte dürfte die von dem Beklagten anerkannte Grundmiete schlüssig im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sein."

Richterin Oh spricht von Konzept-Prüfung und Bundessozialgericht in einem Satz. Zeitgleich steht ihre Vorgehensweise in der Sache dem BSG 180° entgegen.
Das BSG hat mehrfach klar herausgestellt, dass die Konzepte konkret und überprüfbar sein müssen. Das LSG hat nicht einmal die Rohdaten angefordert und zur Verfügung gestellt.


"Auch vor dem Hintergrund, dass es lediglich um drei Monate im Jahr 2015 geht, regt der Senat einen Vergleich an, der keine Anerkennung einer Rechtspflicht zur Zahlung für weitere Zeiträume begründet. Hierbei berücksichtigt der Senat, dass die Kostensenkungsaufforderung aus November 2014 wohl erst zu einer Absenkung der Kosten ab Juni 2015 berechtigen dürfte, da erst im Juni der: Sechs-Monatszeitraum voll abgelaufen ist."
Insoweit würde sich eine Nachzahlung für den Monat Mai 2015 in Höhe von 72,41 € (380,91 € tatsächlicher Miete abzüglich 308,50 € anerkannter Miete) ergeben zuzüglich der Monate Juli und August mit insgesamt 74 € (345,50 € "angemessener Miete" abzüglich der gezahlten 308,50 €). Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass sich der Betrag von 345,50 € ergibt, wenn man die als abstrakt anerkannte Grundmiete aus dem Korrekturbericht 2015 mit 4,99 € x 50 m² = 249,50 € zuzüglich der abstrakt angemessenen Betriebskosten nach dem Betriebskostenspiegel Nordrhein-Westfalen von 1,92 € x 50 m² = 96 € addiert."


25.10.2021     Schriftsatz RA an LSG   (15 S.)
"Von einer erfolgreichen „Nachbesserung“ dürfte nicht auszugehen sein.

[...]

Weiterhin hat der Beklagte dem Unterzeichnende zwischenzeitlich die Rohdaten zur Verfügung gestellt, diese werden als Anlage K 1 überreicht und auf den Inhalt Bezug genommen.

Das BSG hat diesbezüglich Kriterien entwickelt, denen ein sogenanntes „schlüssiges Konzept“ zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten genügen muss:

1. Die Datenerhebung darf ausschließlich in einem genau eingegrenzten Vergleichsraum erfolgen und muss ebenso über den gesamten Vergleichsraum erfolgen
2. Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Beobachtungsgegenstandes
3. Es sind Angaben zum Beobachtungszeitraum erforderlich
4. Die Art und Weise der Datenerhebung ist festzulegen

5. Die Datengrundlage muss repräsentativ sein
6. Die Datenerhebung muss valide sein
7. Es sind anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze der Datenauswertung einzuhalten
8. Es sind Angaben über die gezogenen Schlüsse erforderlich (z.B. Kappungsgrenze)

Nach Durchsicht der Rohdaten sind diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

[...]"


Nach den übersandten Rohdaten lassen sich die Standards der Wohnungen, die Repräsentativität und Validität der Daten sowie die Vermeidung von „Brennpunkten“ nicht belegen.

Nach den o.a. Ausführungen, die auch durch das BSG bestätigt worden sind, dürfte nach den Hinweisen zu den Unstimmigkeiten und fehlenden Angaben in den Rohdaten deutlich sein, dass von einem schlüssigen Konzept nicht auszugehen ist.

Die Klage ist vollumfänglich begründet.


08.03.2022     Schriftsatz des LSG NRW an JC  
"nach Auswertung der nach dem Termin am 01.06.2021 eingegangenen Informationen und erneuter vorläufiger Überprüfung der Sach- und Rechtslage wird darauf hingewiesen, dass Zweifel an der Repräsentativität der Datenbasis bestehen könnten. Unbeschadet der Frage, ob diese Zweifel nach dem bisherigen Sachstand im Ergebnis durchgreifen, wird Ihnen vorsorglich die Möglichkeit zur Ergänzung Ihrer diesbezüglichen Ausführungen bzw. Nachbesserung des Konzepts gegeben.

Vor diesem Hintergrund wird um Beantwortung der nachfolgenden Fragen gebeten

1. Lässt sich aus den Daten die Anzahl der Mieten privater (kleiner / nicht-institutioneller Vermieter und deren Anteil an der gesamten Datenbasis entnehmen?

2 Wie hoch ist dieser Anteil bezogen auf den Vergleichsraum I und die jeweiligen Städte?

3. Kann das Mietniveau bezogen o auf unterschiedliche Vermietertypen o auf die drei Datensätze für den Vergleichsraum und die jeweiligen Städte vergleichend dargestellt werden?

4 Wie ist sichergestellt, dass die Datenbasis hinreichend repräsentativ ist. insbesondere alle wesentlichen Teilgruppen der Grundgesamtheit (u.a. die Wohnungen der Großvermieter und der Kleinvermieter) Ihrem Anteil entsprechend in der Stichprobe abgebildet sind? Ist vorliegend eine Gewichtung vorgenommen werden, falls ja, auf welche Weise? Sofern dies bislang nicht geschehen ist, kann dies noch nachgeholt werden? Um eine möglichst zeitnahe Beantwortung wird höflich gebeten, weil die Sache bald erneut terminiert werden soll. "


23.06.2022      
"Verhandlungstermin beim LSG NRW.
Der Nachbesserungsversuch ist gescheitert.
Das Konzept ist nicht schlüssig.
Die Revision wird nicht zugelassen."


23.06.2022     Urteil   (Das Konzept ist nicht schüssig.)
"Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 01.12.2016 geändert. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 19.02.2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24.03.2015 und 17.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11.08.2015 verurteilt, der Klägerin für die Monate Juli und August 2015 weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft i.H.v. monatlich 51 € zu gewähren.

5. Zur Herstellung der Spruchreife legt der Senat in Ermangelung eines qualifizierten Mietspiegels die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft begrenzt durch die Werte nach der Tabelle gemäß § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung plus Sicherheitszuschlag i.H.v. 10 % zugrunde (vgl. zu diesem Vorgehen BSG, Urteil vom 30.01.2019, B 14 AS 24/18, juris Rn. 30 m.w.N.). Dies entspricht für Iserlohn einem Betrag LH.v. 363 €. Zuzüglich Heizkosten hat die Klägerin mithin einen Anspruch auf Leistungen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung LH.v. 410 €."








         Urteile zum Thema: Kosten der Unterkunft - schlüssiges Konzept



Urteilssammlung zu Konzepten von A&K     (Exceltabelle mit Links)

Urteilssammlung zu Konzepten von A&K     (pdf)

A&K - 42 Kreise von 94 nicht schluessig!     (aktualisiert: 07.03.2020)

A&K_94_Konzepte.jpg

16.12.2016 SG Dortmund     S 19 AS 965/15     .

16.12.2016 SG Dortmund     S 19 AS 3392/15     .

16.12.2016 SG Dortmund     S 19 AS 4282/15     .







         Infos zum Thema: Kosten der Unterkunft - schlüssiges Konzept



           IFG042





         Presseberichte zum Thema: Kosten der Unterkunft - schlüssiges Konzept



2022-07-01    Miriam Mandt-Böckelmann (IKZ) Droht dem Märkischen Kreis eine Klagewelle?

2016-11-17    Iserlohnerin klagt gegen Hartz IV­Mietspiegel    von Heinz Krischer (IKZ)
"Wohnungen für Hartz IV­Bezieher müssen angemessen sein: nicht zu groß, nicht zu teuer. Weil eine Mieterin aus dem Märkischen Kreis solch eine Wohnung nicht fand, muss sie von ihren kargen Bezügen selbst einen erheblichen Teil der Miete zahlen. Am Donnerstag (01.12.2016) klagt sie vor dem Sozialgericht

Schon 700 Widersprüche
"Hintergrund war die Situation am Wohnungsmarkt in den Jahren 2013 und 2014", sagt Volker Riecke, Leiter des Jobcenters im Märkischen Kreis. Weil es durch den demografischen Wandel zu Leerständen gekommen sei, seien auch die Mieten gesunken. Mit den neuen Sätzen habe man sich nur an die Realität angepasst. Dass allerdings viele Hartz IV­Bezieher angeben, mit diesen neuen Werten nicht klarzukommen, weiß auch Riecke. 2015 und in diesem Jahr bis September gab es schon rund 700 Widersprüche gegen Bescheide des Jobcenters, wo es um die Kosten der Unterkunft geht.

Anwalt: "Definitiv gibt es diese Wohnungen nicht" Dennoch sagt Riecke: Dass es keine passenden Wohnungen gebe, könne aus seiner Erfahrung nicht stimmen. In mehreren Verfahren vor dem Sozialgericht habe man entsprechenden Wohnraum nachweisen können. Lars Schulte­Bräucker hält das für ein Scheinargument. Der Rechtsanwalt vertritt Marlies Jessop und andere Hartz IV Bezieher. "Definitiv gibt es diese Wohnungen nicht", sagt Schulte­Bräucker. "Ich habe selbst recherchiert und keine derartigen Wohnungen gefunden. Was allenfalls angeboten wurde, waren alte und heruntergekommene Wohnungen, die Hartz IV­Bezieher von ihren knappen Bezügen nicht renovieren können – oder die Wohnungen lagen außerhalb, so dass sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln kaum angefahren werden können."








         Forenbeiträge zum Thema: Kosten der Unterkunft - schlüssiges Konzept










                       
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