Thema: Sachleistungen, Gutscheine, Lebensmittelgutscheine
Die ARGE Märkischer Kreis verstößt in ihrer Vergabepraxis bei Lebensmittelgutscheinen systematisch und vorsätzlich gegen geltendes Recht.
Offensichtlich dient die Vergabe dieser knallbunten DIN A4 großen Gutscheine bei der ARGE MK bisher weitaus häufiger der Disziplinierung von Kunden als der tatsächlichen Zielvorgabe der Sozialgesetzgebung. Dabei berufen sich Mitarbeiter immer wieder auf interne Anweisungen ihrer Sachgebietsleiter. Allerdings war noch keiner der Befragten in der Lage eine solche Anweisung in schriftlicher Form vorzulegen, so dass nicht abschließend geklärt werden konnte, ob es sich lediglich um Schutzbehauptungen handelt, oder um tatsächlich intern angewiesene Rechtsverletzung. (Stand 23.05.2009). Aber tatsächlich verteidigen auch die, die es offensichtlich besser wissen müssten, die Vergabepraxis.
So werden Kunden mit Lebensmittelgutscheinen abgespreist, bei denen durch die ARGE verschuldete Zahlungsversäumnisse vorliegen, Restzahlungen nicht fristgerecht ausgekehrt wurden, geschuldete Nachzahlungen nicht angewiesen waren oder auch Rückerstattungen aus erfolgreichen Widersprüchen und Klagen nicht beglichen wurden.
Auch Neukunden, die sich in akkuten Notlagen dem Sozialleistungsträger anvertrauen mussten, wurden mehrmals mit Lebensmittelgutscheinen abgefertigt. Bei einigen löste dies persönliche Betroffenheit und Tränen aus. Viele empfinden dies als Demütigung.
Das zweite Kapitel des SGB XII definiert im § 10 die Leistungen der Sozialhilfe und bestimmt die wichtigsten Grundsätze, die auch für das SGB II gelten.
SGB XII § 10 Leistungserbringung
(1) Die Leistungen werden als Dienstleistung, Geldleistung oder Sachleistung
erbracht.
(2) Zur Dienstleistung gehören insbesondere die Beratung in Fragen der Sozialhilfe
und die Beratung und Unterstützung in sonstigen sozialen Angelegenheiten.
(3) Die Geldleistung hat Vorrang vor der Sachleistung, soweit nicht dieses Buch etwas anderes bestimmt oder die Sachleistung das Ziel der Sozialhilfe erheblich besser oder wirtschaftlicher erreichen kann oder die Leistungsberechtigten es wünschen.
Gutscheine und andere unbare Formen der Verrechnung gehören zu den Sachleistungen.
Das Ziel der Sozialhilfe ist festgeschrieben:
SGB XII § 1 Aufgabe der Sozialhilfe
Aufgabe der Sozialhilfe ist es, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu
ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Leistung soll sie so weit wie
möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben; darauf haben auch die
Leistungsberechtigten nach ihren Kräften hinzuarbeiten. Zur Erreichung dieser Ziele
haben die Leistungsberechtigten und die Träger der Sozialhilfe im Rahmen ihrer Rechte
und Pflichten zusammenzuwirken.
Unter bestimmten, sehr eng gefassten Voraussetzungen erlaubt das SGB II das Ausstellen von Warengutscheinen (Sachleistung) anstelle von Bargeld.
Zunächst definiert das SGB II in § 4 die Leistungsarten:
SGB 2 § 4 Leistungsarten
(1) Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden in Form von
1. Dienstleistungen, insbesondere durch Information, Beratung und umfassende
Unterstützung durch einen persönlichen Ansprechpartner mit dem Ziel der
Eingliederung in Arbeit,
2. Geldleistungen, insbesondere zur Eingliederung der erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen in Arbeit und zur Sicherung des Lebensunterhalts der
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihnen in einer
Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen, und
3. Sachleistungen
erbracht.
(2) Die nach § 6 zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende wirken
darauf hin, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige und die mit ihnen in einer
Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen die erforderliche Beratung und Hilfe anderer
Träger, insbesondere der Kranken- und Rentenversicherung, erhalten.
not-ab-wendige, eher grenzwertige Sonderregelungen sind z.Bsp. die:
SGB II § 23 Abweichende Erbringung von Leistungen
(1) Kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen
unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach
§ 12 Abs. 2 Nr. 4 noch auf andere Weise gedeckt werden, erbringt die Agentur für
Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung
und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird
das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes
gewährt. Das Darlehen wird durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 vom
Hundert der an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in
Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen jeweils zu zahlenden Regelleistung getilgt.
(2) Solange sich der Hilfebedürftige, insbesondere bei Drogen- oder
Alkoholabhängigkeit sowie im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens, als ungeeignet
erweist, mit der Regelleistung nach § 20 seinen Bedarf zu decken, kann die
Regelleistung in voller Höhe oder anteilig in Form von Sachleistungen erbracht
werden.
(3) Leistungen für
1. Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten,
2. Erstausstattungen für Bekleidung einschließlich bei Schwangerschaft und
Geburt sowie
3. mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen
sind nicht von der Regelleistung umfasst. Sie werden gesondert erbracht. Die
Leistungen nach Satz 1 werden auch erbracht, wenn Hilfebedürftige keine Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für
Unterkunft und Heizung benötigen, den Bedarf nach Satz 1 jedoch aus eigenen Kräften
und Mitteln nicht voll decken können. In diesem Falle kann das Einkommen
berücksichtigt werden, das Hilfebedürftige innerhalb eines Zeitraumes von bis zu
sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die Leistung entschieden
worden ist. Die Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 können als Sachleistung oder
Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden. Bei der Bemessung
der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und
nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen.
(4) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können als Darlehen erbracht
werden, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich
Einnahmen anfallen.
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hier ein
Diese Praxis mag in seltenen Fällen durchaus hilfreich sein. Als Grundsatzentscheidung taugt sie nichts.
In dem meisten Fällen dient sie lediglich als eine weitere Form von menschenverachtender Sanktionierung und Entmündigung mündiger Bürger.
Ein Possenspiel besonderer Güte stellte der Iserlohner Kreisanzeiger der ahnungslosen Öffentlichkeit in seiner Ausgabe vom 03.07.2008 vor:
- der Zwang in bestimmten Geschäften einzukaufen
- der Kunde wird an öffentlichen Kassen gedemütigt sich als erwerbslos zu outen
- die Gutschein-Summe muss aufgebraucht werden, weil kein Bargeld ausgezahlt wird
- Ärzte (Praxisgebühr) und Apotheken nehmen keine Gutscheine an
Nach Aussage der Sachbearbeiters der ARGE Märkischer Kreis Herr A. akzeptieren in Iserlohn "alle Discounter außer Aldi" die Gutscheine der ARGE MK.
Ein guter Grund einmal nachzufragen:
Und richtig, nach einigen Absagen, versicherten uns zwei Kassiererinnen bei "Kaisers", dass sie etwa 1-2mal im Monat Gutscheine annehmen würden.
Aldi hatte sich nach einigen Missbrauchsfällen zurückgezogen.
Was spricht eigentlich für Lebensmittelgutscheine - was dagegen?
Geldkarte |
Lebensmittelgutschein |
ARGE MK: "Geldkarten sind zu teuer." |
ARGE MK: "Gutscheine sind preiswerter." |
ARGE MK: "Wir brauchen 3 Leute für die Ausstellung." . . . ? |
Die Montagsdemo fragt nach:
1. Ausstellung des Gutscheins
2. EDV-Erfassungsstelle
3. Controlling
4. Buchungskontrolle
5. Kundenkontakt mit Filialen
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selbstbestimmtes Einkaufen |
Geschäftsbindung |
anonymes einkaufen |
der Kunde muss sich als Hartz IV-Empfänger zu erkennen geben |
Bargeld kennt keine Begrenzung |
Gültigkeitsdauer 1 Monat |
Bargeld gilt bundesweit |
regionale Beschränkung (ARGE Märkischer Kreis) |
schikanefrei |
direkte Form von Sanktion |
Im Haufe SGB Office wird die korrekte Anwendung des Gesetzes näher beschrieben.
2.2 Sachleistungen statt Geldleistungen
SGB II § 23 Abweichende Erbringung von Leistungen
Rz. 16
Abs. 2 hat zum Ziel, die Hilfebedürftigen dazu zu erziehen, mit der Regelleistung auch tatsächlich ihren Regelbedarf zu decken. Ob dies der Fall ist, kann der Leistungsträger anhand eines zusätzlichen Begehrens von Leistungen im Verlauf des Monats unter Hinweis auf eine vollständige Verausgabung der Regelleistungen oder anhand sonstiger Hinweise aus der Bedarfsgemeinschaft oder durch Dritte bewerten. Der Leistungsträger ist nicht verpflichtet, von Amts wegen ohne Anhaltspunkte ins Blaue hinein zu ermitteln, ob die Regelleistung zweckentsprechend verwendet wird. Im Regelfall wird er einen Sachverhalt nach Abs. 2 nicht annehmen müssen, wenn er keine Hinweise auf zweckwidriges Verhalten erhält. Auch bei Drogen- und Alkoholabhängigkeit muss der Leistungsträger die zweckmäßige Verwendung der Regelleistung nicht von vornherein in Frage stellen.
Rz. 17
Der Gesetzgeber gibt den Leistungsträgern auf, erwiesene Nichteignung dafür festzustellen, dass Hilfebedürftige ihren Bedarf mit der Regelleistung nicht decken. Vermutungen reichen für die Rechtsfolgen nach Abs. 2 nicht aus, um die Rechtsfolgen des Abs. 2 zu ziehen. Der Leistungsträger muss anhand von Tatsachen nachweisen, dass der Hilfebedürftige ungeeignet für den Umgang mit der Regelleistung in Geld ist. Eine fehlende Eignung liegt nicht bei einmaligem unwirtschaftlichem Verhalten vor, insbesondere dann nicht, wenn die Einteilung der Leistungen auf den Leistungszeitraum noch nicht eingeübt ist, der Hilfebedürftige sich also darauf einstellen muss. Nichteignung ist erst dann anzunehmen, wenn der Hilfebedürftige wiederholt seinen Bedarf mit der Regelleistung nicht deckt und prognostiziert werden muss, dass sich dies auch zukünftig wiederholen wird. Ein strengerer Maßstab ist anzulegen, wenn erwerbsfähige Hilfebedürftige Sozialgeld unwirtschaftlich für eigene Zwecke verwenden.
Rz. 18
Auf den Grund für die Nichteignung kommt es nicht an. Drogen- und Alkoholabhängigkeit werden vom Gesetzgeber als typisierende Fallgestaltungen herausgestellt, bei denen der Leistungsträger besonders auf Hinweise zu achten hat, die auf eine zweckwidrigen Verwendung der Regelleistung hindeuten. Im Übrigen liegt stets ein unwirtschaftliches Verhalten vor, wenn Hilfebedürftige mit ihrer Regelleistung nicht auskommen, also ihren Bedarf nicht den gesamten Monat über damit decken.
Rz. 19
Konsequenz unwirtschaftlichen Verhaltens ist die Erbringung der Regelleistung in Form von Sachleistungen, also insbesondere durch Ausgabe von Lebensmittelgutscheinen. Die gesetzliche Regelung sieht zwar vor, dass die Regelleistung auch anteilig durch
Sachleistungen erbracht werden kann. In der Praxis lässt sich dafür allerdings kein Maßstab bilden. Anteilige Sachleistungen bedeuteten dann, im Umfang der Geldleistung zweckwidriges Verhalten zu begünstigen.
Rz. 20
Sachleistungen dürfen nur so lange an Stelle von Geldleistungen erbracht werden, wie begründet prognostiziert werden kann, dass sich im Falle einer Rückkehr zur vollen Geldleistung sofort wieder unwirtschaftliches Verhalten einstellen wird. Hierbei sind die Gesamtumstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Ein Nachweis durch den Leistungsträger ist nicht möglich und wird auch nicht verlangt. Eine Rückkehr zur vollen Geldleistung kann versucht werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass es nicht erneut zu unwirtschaftlichem Verhalten kommen wird, z.B. nach einer Therapie oder durch nachhaltig vernünftiges Auftreten durch den Hilfebedürftigen.
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In der Dienstanweisung der Agentur " xxxx " vom 01.08.2006
Außerdem ist die Ausgabe von Warengutscheinen aus datenschutzrechtlichen Gründen bedenklich und verletzt die guten Sitten allein dadurch, dass Erwerbslose gezwungen werden, sich namentlich als Alg 2-Empfänger zu outen. Abrechnungsbedingt verbleibt das Dokument für eine unbestimmte Zeit in der entsprechenden Discounter-Filiale bis zur Abrechnung mit der Arge.
Die Aufmerksamkeit anderer Kunden wird allein schon durch das "außergewöhnliche Zahlungsmittel" - eines riesengroße und mit ARGE-Logo versehenen Gutscheins geweckt.
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