Als der Vorsitzende Richter am Bundesverfassungsgericht, Präsident Prof. Dr. Dres.h.c. Hans-Jürgen Papier, am 09.02.2010 das Urteil in dem Verfahren - 1 BvL 1/09 -1 BvL 3/09-1 BvL 4/09- verlas, war die Entscheidungsbegründung für die verantwortlichen Bundesregierungen unter Gerhard Schröder und Angela Merkel eine peinliche Blamage: "Die Regelleistungen sowohl des Arbeitslosengeldes II für Erwachsene
als auch des Sozialgeldes für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres genügen dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht. Die einschlägigen Regelungen des so genannten "Hartz IV-Gesetzes" sind daher verfassungswidrig. Die verfassungsrechtlichen Mängel betreffen die Vorgehensweise des Gesetzgebers bei der Bemessung der Regelleistungen. Im weiteren Vortrag hieß es: 1.a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip. Es verpflichtet den Staat, einem Hilfebedürftigen diejenigen materielen Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums unbedingt erforderlich sind. Dieser verfassungsrechtliche Leistungsanspruch gewährleistet sowohl die physische Existenz des Menschen als auch ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben.
"
1.Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.
Damit erreichte die Kritik von Sozialrechtlern und Sozialverbänden erstmals die höchste deutsche Gerichtsbarbeit. I. Grundgesetz |
Art. 1, 20, 6 GG Stand: 23.05.1949
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Art. 1, 20, 6 GG Stand: 21.07.2010
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Art 1 GG (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. (3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Art 20 GG (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden. Art 6 GG (1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. (3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. (4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft. (5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern. |
Art 1 GG
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen
Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. (3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Art 20 GG (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden. (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist. (erweitert 1968) Art 6 GG (1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. (3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. (4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft. (5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern. |
II. Erste Anfrage09.11.2011Die Verfassungsrichter rügen mehrfache Verletzungen der Artikel 1, 20 und 6 des Grundgesetzes.
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III. Zweite AnfrageNachdem sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Landessozialgericht und das Bundessozialgericht nicht zur Sache äußern konnten oder wollten, wurde auf die einzelnen Justizministerien der Länder verwiesen. |
III. Antworten und AuswertungZunächst ist festzustellen, dass die Erfassung der Richterstellen der SGB II-Rechtsprechung erst ab 2007 erfasst wurden. Darüber hinaus ist der Einsatz der Sozialrichter nicht immer eindeutig nur ausschließlich auf das SGB II ausgerichtet.Die Aufgabenfelder der Sozialgerichtsbarkeit umfassen alle nachfolgend genannten Rechtsfragen:
Herausragend dabei ist allerdings, dass das Hartz IV-Gesetz zu einer unvergleichlichen Klageflut geführt hat. So stieg nicht nur die Zahl der Richter, die im Bereich des Sozialrechts tätig sind kontinuierlich an, sondern auch die prozentualen Anteile der Hartz IV-Rechtsprechung im Verhältnis zu den anderen Sachthemen weisen eine deutliche Zunahme auf. Diesem Trend suchte die Politik massiv entgegen zu wirken, indem die Hürden für die Betroffenen immer höher gelegt wurden. So wurde der Beschwerdewert für die Klagen vor den Landessozialgerichten auf 750,00 € angehoben, was zu einer weiteren massiven Einschränkung der Rechte der ALG II-Leistungsberechtigten geführt hat. Mit zunehmendem Bekannt werden der Schlechtleistung der ARGEN und Jobcenter in der Öffentlichkeit im Blick auf massiv rechtsfehlerhafte Bescheide und dem Widerstand der Leistungsberechtigten in der Rechtswahrnehmung vor Gericht, wurden per Gesetz die Möglichkeiten der Nachforderung eingeschränkt, indem die Anfechtbarkeit falscher Bescheide durch so genannte Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X beschnitten wurde. Während zuvor eine Überprüfung innerhalb von vier Jahren möglich war, wurde die Frist auf nur noch ein Jahr verkürzt. Eine Vielzahl früherer Bescheide bleiben somit nach wie vor falsch und die Leistungsberechtigten bleiben die Geschädigten, es wird nicht mehr Gerichtsbekannt . . . |
lfd.Nr. |
Bundesland |
2004 |
2005 |
2006 |
2007 |
2008 |
2009 |
2010 |
2011 |
ALG II: ?% |
1 |
Bundesministerium der Justiz |
- |
||||||||
2 |
Baden-Württemberg | 140 |
146 / 25,43 |
146 / 28,81 |
160 / 34,13 |
164 / 35,53 |
- |
17 % ⇒ 22 % |
||
3 |
Bayern | - |
||||||||
4 |
Berlin | 56,60 / ? | 61,22 / ? | 68,26 / 24,72 |
72,83 / 40,45 |
86,39 / 48,45 |
104,74 / 59,32 |
104,31 / 59,47 |
36 % ⇒ 57 % |
|
5 |
Brandenburg (LSG) | - |
- |
- |
46,14 / 2,35 |
49,56 / 3,16 |
50,16 / 3,35 |
51,58 / 3,87 |
51,00 / 4,84 |
5 % ⇒ 9 % |
5 |
Brandenburg (SG) | - |
- |
- |
40,32 / 14,58 |
42,72 / 20,52 |
47,54 / 23,21 |
55,76 / 27,66 |
58,14 / 31,53 |
36 % ⇒ 54 % |
6 |
Bremen | 9,82 / 4,14 |
10,10 / 4,80 |
- |
42 % ⇒ 48 % |
|||||
7 |
Hamburg (LSG) | 10,90 / 0,28 |
9,65 / 0,30 |
10,48 / 0,45 |
11,10 / 1,00 |
- |
3 % ⇒ 9 % |
|||
7 |
Hamburg (SG) | 34,85 / 9,24 |
33,81 / 10,51 |
33,24 / 11,95 |
33,95 / 14,02 |
- |
27 % ⇒ 41 % |
|||
8 |
Hessen | 88 / ? | 97 / ? | 99 / ? | 100 / ? | 104 / ? | 108 / ? | 112 / ? | 112 / ? | ca. 30 % |
9 |
Mecklenburg-Vorpommern | 28,32 / 9,57 |
38,56 / 17,74 |
44,69 / 23,63 |
44,76 / 23,93 |
- |
34 % ⇒ 53 % |
|||
10 |
Niedersachsen (LSG) | 31,55 / ? | 35,77 / ? | 40,68 / ? | 40,92 / ? | 40,67 / 6,10 |
41,72 / 6,30 |
- |
ca. 15 % |
|
10 |
Niedersachsen (SG) | 75,50 / ? | 82,48 / ? | 85,70 / 12,88 |
100,26 / 32,88 |
102,15 / 35,69 |
112,18 / 38,11 |
- |
15 % ⇒ 34 % |
|
11 |
Nordrhein-Westfalen (LSG) | - |
59,23 / ? | 61,17 / ? | 63,09 / 3,49 |
66,16 / 4,59 |
64,78 / 4,76 |
60,63 / 6,41 |
59,61 / 6,91 |
6 % ⇒ 12 % |
11 |
Nordrhein-Westfalen (SG) | - |
170,64 / ? | 186,41 / ? | 188,14 / 42,06 |
188,35 / 50,26 |
198,72 / 57,52 |
206,51 / 63,14 |
210,99 / 63,26 |
22 % ⇒ 30 % |
12 |
Rheinland-Pfalz | 66 / ? | 66 / ? | 67 / ? | 70 / ? | 76 / ? | 76 / ? | 78,50 / ? | ||
13 |
Saarland | ? / 1,85 |
? / 2,00 |
? / 1,85 |
- |
|||||
14 |
Sachsen | ? / 10-15 |
? / 23,22 |
? / 45,61 |
||||||
15 |
Sachsen-Anhalt | ? / 20,65 |
? / 31,21 |
? / 35,97 |
? / 39,88 |
- |
||||
16 |
Schleswig-Holstein | 40-47 / ? | 52 / ? | 55 / ? | 55 / ? | 71 / ? | 71 / ? | 71 / ? | ||
17 |
Thüringen | ? / 22,36 |
? / 28,11 |
? / 27,68 |
? / 33,52 |
? / 37,19 |
||||
18 |
gesamt |
- |
Das sind schätzungsweise 500 Richter. Und nur ganz wenige haben etwas gemerkt.
Während einige Ministerien in der Beantwortung der einfachen Fragen keine Hürden erkennen konnten, sperrten sich andere vehement.
Das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg verweigerte die Auskunft nach dem IFG, mußte dann aber gegenüber einem Journalisten auf der Grundlage dees Presserechts die gleiche Frage dennoch beantworten. Die Antwort auf die Presseanfrage erfolgte am 02.04.2012.
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