Persönliche Erfahrungen
mit der ARGE Märkischer Kreis

Thema: M€in €in-€uro-Tagebuch



. . . sie wollten nur das Geld.


Predigtpreis 2004 - Gericht gegen Sozialabbau
''Ein-Euro-Jobs sind ''Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung'' im Sinne des § 16 Abs. 3 SGB II. Diese Arbeitsgelegenheiten sind eine Einrichtung der früheren Sozialhilfe (ehemals § 19 BSHG: ''gemeinnützige zusätzliche Arbeit''), wurden aber nie im heutigen (seit Einführung des SGB II üblichen) Umfang von den Sozialämtern angeboten und waren daher in der Öffentlichkeit kaum bekannt.''
aus: Wikipedia


Referent Herr Odebralski, Geschäftsführer der ARGE MK:

''Dafür sollte die Förderung der Langzeitarbeitslosen besser werden, unter anderem durch eine ausreichende Zahl von Fallmanagern
(1 Fallmanager für 75 Arbeitslose)
Leistungen der Eingliederung:
   persönliche Beratung und Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung
Hauptziel:    Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt u.a. durch Zuzahlungen bei den Löhnen.
      --> Wenn eine direkte Eingliederung nicht möglich ist, muss für den ersten Arbeitsmarkt gezielt qualifiziert werden.
         --> Wenn das nicht möglich ist, soll in versicherungspflichtige AB-Maßnahmen vermittelt werden.
            --> Wenn all diese Maßnahmen nicht greifen, kommen als letzte Möglichkeit die sog. 1-Euro-Jobs zum Zuge.
                  Sie sind – nach den Aussagen des Gesetzgebers – das allerletzte Mittel, um Langzeitarbeitslose zu beschäftigen.''



Das Blatt hat sich gewendet. Endlich ein Job. Zum 01.09.2007. Die Arbeitslosenzahlen werden bereinigt.

Eine Arbeitslosenzahl weniger - und kein Arbeitloser vermittelt - Die Kirche im Dienst der LÜGE? - Wieder einmal?

Befristet auf 6 Monate.
Und, klare Ansage: garantiert keine Übernahmechancen.
Null Qualifizierung.
Nicht der Hauch einer Perspektive.

Teuer - unnütz - verlogen.

Aber doch ein Phänomen. Gerade noch war ich ein 'Sozialschmarotzer'. Jetzt arbeite ich für mein Geld. Ich erhalte 'Lohn für Leistung'. Zwar gestückelt, aber Lohn. 345,00 € plus Miete plus Heizkosten plus Krankenversicherung plus 1 Euro/Stunde, 30 Stunden die Woche, ein echter Vollzeitjob.
  • 345,00 € Grundsicherung
  • € Miete
  • € Krankenversicherung
  • € Rentenversicherung
  • 120,00 € Mehraufwandsentschädigung
  • € Gesamtsumme Netto
Das ist mein Lohn für meine Arbeit für die Diakonie Iserlohn. Die aber bezahlt mir . . . . . Nichts! Tatsächlich nichts. Nichts für meine Arbeit. Nichts für meine Zwangsarbeit.
Unfreiwillige Arbeit unter Androhung von Bußgeldern (Sanktionen).

Aber die Kirche kassiert ab. Arbeitsleistung für lau und zusätzlich bares Geld vom Staat.
Rollentausch für sechs Monate. Der 'Sozialschmarotzer erarbeitet sich seinen Lebensunterhalt.
Die Kirche schmarotzt. - Ohne jedes Gefühl von Scham oder Reue.

Die Träger bekommen für jede eingerichtete Stelle bis zu 500,00 € netto. Von dieser Summe bekommt der ''erwerbslose Hilfebedürftige'' (eHB) 1,00 bis 2,00 € je geleisteter Arbeitsstunde als Mehraufwandsentschädigung. Für Krankheitstage, Fehlstunden und Urlaub gibt es nichts, nichts für den Erwerblosen.
Na, dann schaun wir mal wie dies weitergeht. Am Montag geht's los.

Eines vorweg:
Die meisten Mitarbeiter sind zunächst sehr freundlich, zuvorkommend und verständnisvoll.
Nach vier Wochen . . .

Aber das System ist legalisierte Zwangsarbeit. Die Verantwortlichen sind nicht zu entschuldigen.



  • 2007-10-01 Überraschung zum Arbeitsbeginn: Der Rechner ist mit einem neuen Passwort versehen, auf ''meinem Arbeitsplatz''finde ich einen schmuddeligen Zettel mit dem Inhalt: ''Herr St. hat noch einmal untersagt, dass Du hier Besuch empfängst [...].
    Klare Ansage: Arbeitslose und Kinder, die zu Wockelmann wollen, sind hier nicht willkommen! - abgehängtes Prekariat!
     
  • 2007-09-27 Info-Veranstaltung mit RA Ralf Karnath zum Thema:xxxxxx. Mehr als 35 Personen finden sich ein.
     
  • 2007-09-24 U. krank, B. hat Urlaub. Bis Donnerstag bin ich allein. Auch die Mitarbeiterin E. hat Urlaub. Dort kann ich nichts fragen.
     
  • 2007-09-21 Besuch für mich. Frische Brötchen und Leberkäse. Na, wer kann da widerstehen.
     
  • 2007-09-17 Der Leiter der Mediothek, U.V. ist krank gemeldet. Er fällt für eineinhalb Wochen aus. Auch die zweite Kraft, B.Z., hat nur einen Vertrag über 10 Stunden in der Woche. Überstunden werden zwar geleistet, aber nicht bezahlt. Viele Stunden werde ich allein sein. Annahme und Ausleihe von Medien verbuchen, Kundenkontakt und Telefondienst. Nebenbei Anfragen zu Software und Office Anwendungen. Zusätzlich??? - Die rechtskonforme Alternative wäre nur die Vollschließung für 8 Tage.
     
  • 2007-09-13 weitere Fehlersuche und Wartungsarbeiten am Hauptrechner Mediathek. Mehrere Versuche das SP 2 aufzuspielen brechen ab. Es sind zwei Betriebssysteme auf der gleichen Festplatte installiert. Das sorgt zusätzlich für Durcheinander.
     
  • 2007-09-12 Dreidreiviertel Stunden Akten geschreddert. Fehlersuche beim Betriebssystem auf dem Hauptrechner der Mediathek und Installationen von Software-Updates.
     
  • 2007-09-11 Weitere Aufbereitung der Datenbestände, Installation mehrerer Programme auf einem Laptop, Treibersuche und Reparatur kleinerer Programm- und Installationsfehler, Internetrecherchen.

    Nach der Arbeit zur ''Tafel''. Vor der Tür eine Warteschlange. Die Tafel in Iserlohn ist sauber, die ehrenamtlichen Mitarbeiter freundlich und die Logistik vorbildlich.
    Ich rege ein Gespräch zum Thema 1-Euro-Jobs an. Eine alleinstehende Mutter von vier Kindern erzählt: Die Arge hatte sie auch zu einer solchen Maßnahme zwangsverpflichtet. 30-Stunden-Woche. Die Kinder blieben sich selbst überlassen. Bereitwillig erzählte sie, wie sie zur Arbeit in Beeten und Grünanlagen verpflichtet wurde. ''Früher hat das ein Gärtner gemacht. Der ist jetzt selber arbeitslos.''
    Trotzdem will ich nicht unerwähnt lasssen, dass ich gerade heute auch von ''1-Euro-Jobber'' gehört habe, die in sozialversicherungspflichtige Arbeit vermittelt worden sein sollen. Nähere Umstände sind mir nicht zur Kenntnis gebracht worden.
     
  • 2007-09-07 Fünfter Tag. Grundsätzlich ist jede Tätigkeit zumutbar. - Freiwillig und gegen Lohn ist das auch verständlich. Heute habe ich etwa eine Stunde Papiermüll in Säcke gefüllt und Pappkartons zerlegt. Zugegeben, meine zwei Berufsausbildungen, Modellschreiner und Fachinformatiker, kamen mir dabei sehr gelegen.
    Aber war dieser Einsatz wirklich ''zusätzlich'', oder machte diese Aufgabe eine bezahlte Hilfskraft überflüssig. Die Kirche würde im Müll ersticken, wenn niemand diesen entsorgt. Also auf keinen Fall ''zusätzlich'' - Basta.
     
  • 2007-09-05 Dritter Tag.
     
  • 2007-09-04 Zweiter Tag. Vor der Arbeit: Hilfe zu Bewerbungen für T., Betreuung bei Problemen mit der ARGE MK. Arbeitsbeginn 9:30 Uhr. Die erste Aufgabenstellung ist die Implementierung einer kleinen hausbackenen Datenbank in einen komplexes Datenbanksystem für Bibliotheken. Das Arbeitsumfeld ist als eher unzureichend zu bezeichnen. Fehlende Systemanbindung, unzureichende Software, keine Internetanbindung. Sympathische Mitarbeiter.
    Es drängt sich allerdings bereits jetzt der Verdacht auf, dass die Finanzierung des Beauftragten für Ein-Euro-Jobs aus den Zahlungen der ARGE MK getragen wird.
    Unbestätigtes Rechenexempel: 40 1-€-Jobber kosten etwa 40 x 120,00 € = 4800,00 €; die zahlt die ARGE MK = der Steuerzahhler! - gleichzeitig bringen sie für das Diakonischer Werk Iserlohn weit mehr als 6000,00 euro; mit - auf Kosten der Steuerzahler.
    Fazit: Um einen einzigen unnützen Arbeitsplatz zu schaffen werden, werden etwa 11,800 € Steuergelder verbrannt. Und wieder profitiert die Kirche von Zwangsarbeit.
    Nutzen gleich null.
    ''Werte abschöpfen - statt Wertschöpfung?''
     
  • 2007-09-03 Erster Tag. Arbeitsbeginn 10:00 Uhr. Vor Arbeitsaufnahme schnell noch ein paar Mails beantworten, Unterlagen zur ARGE schaffen und zur Sparkasse.
    Ich bin pünktlich. Freundliche Aufnahme und ein erster Smalltalk im Büro nebenan.
    Dann klingelt das Handy. Probleme mit der ARGE MK. Kein Geld auf dem Konto. Während ich mich bemühe meinen 'Kunden' zu instruieren kommt der Leiter der Mediathek. Er findet mich bei der Arbeit.
    Später wird über meinen Einsatzplan gesprochen . . . Gartenpflege, Gärtner - nichts für mich. Tapeten abreißen ist Malersache und nicht zusätzlich, nicht gemeinnütig.
    In der Mediathek gibt es eine provisorische Medien-Ausleihe zu sichten und ein Datenbank-Modul zu erstellen. Die Daten sollen dann eine komplexere Datenbank implementiert werden. - Na, das ist doch mal eine Aufgabe für Fachinformatiker, bezahlte . . . Die ersten Leute, die ich kennenlerne sind nett, was auf dem Arbeitsmarkt wirklich abläuft ahnen wohl die Wenigsten. Ich werde viel Aufklärungsarbeit zu leisten haben.










geschichtlicher Rückblick